Mit Kindern reden

Die Zeiten sind für Eltern sehr fordernd: Erst zwei Jahre lang eine nie dagewesene Coronapandemie, dann ein unvorstellbarer Krieg in Europa. Sollten wir mit unseren Kindern darüber reden?

Die Antwort ist für mich klar: Ja, wir sollten mit unseren Kindern sprechen, wenn wir uns sorgen, wenn etwas anders ist als sonst, wenn sich etwas ändert. Wir sollten ab einem bestimmten Alter mit unseren Kindern besprechen, was in der Welt vor sich geht. Ideal ist eine ruhige Situation mit genügend Zeit zum Sprechen und für Nachfragen der Kinder. Das gilt auch und gerade für den Krieg in der Ukraine. Ich habe in den letzten Tagen mehrere Artikel und Instagramposts gelesen und der Tenor war ähnlich: Wenn Eltern sich Sorgen machten, sollten sie ihre Ängste mit ihren Kindern teilen. Denn Kinder würden sowieso merken, wenn etwas nicht stimmte. Dann so zu tun, als wäre nichts, verunsicherte Kinder zusätzlich. Die Art und Weise, in der wir mit unseren Kindern sprechen, ist dabei sehr wichtig. Auf der Instagramseite von „Vielfalt im Kinderzimmer“ finde ich das sehr gut zusammengefasst:

Screenshot des Instagramposts von „Vielfalt im Kinderzimmer“

Es geht für mich auch darum, mit den Kindern ehrlich darüber zu sprechen, wenn ich selbst etwas nicht verstehe. Ich habe European Studies studiert. Da ging es in vielen Seminaren um die große Bedeutung der Europäischen Einigung für den Frieden auf unserem Kontinent. Seit meinem Abschluss 2008 hat sich politisch viel getan, aber das Grundsätzlich galt bisher weiter. Ich hatte gelernt, dass die Macht eines Staates immer auch an seinen Grenzen festgemacht wird. „Das Territorialitätsprinzip der Macht“ hieß der Kurs. Das werde ich nie vergessen, das war sehr einleuchtend: Nur wenn ein Staat ein festes Territorium hat, kann er funktionieren. Das alles gilt gerade nicht mehr. Oder zumindest versucht der russische Präsident gerade, das Prinzip auszuhebeln, in dem er einem Staat mit einer frei gewählten Regierung sein Existenzrecht abspricht. Ich halte meiner Tochter keine politikwissenschaftliche Vorlesung, aber ich erkläre ihr bestimmte Zusammenhänge, die ihr helfen, die Welt zu verstehen, in der wir leben. Ich wünschte mir, dass das in der Schule auch passieren würde. Das scheint aber eine individuelle Entscheidung der Lehrerin oder des Lehrers zu sein.

Wir haben als Eltern schon zu Beginn der Coronapandemie unserer Tochter erklärt, worum es bei Corona geht. Die Folgen sind manchmal skurril, wenn eine Sechsjährige alles über FFP-2Masken, 3- und 2-G-plus-Regeln weiß, aber es hilft ihr und uns, dass wir sie ernst nehmen. Jetzt, wo in Europa ein Krieg herrscht, merke ich einmal mehr, dass es sehr hilfreich ist, seine Kinder ernst zu nehmen.

Ich habe auch gemerkt: Ich sollte meine sechsjährige Tochter nicht unterschätzen. Sie versteht so viel. Eine Szene: Mein Mann geht mit beiden Töchtern in den Buchladen. Ich hatte gesagt: Lasst euch Zeit, damit ich noch etwas länger arbeiten konnte. Sie waren 1,5 Stunden weg, obwohl der Weg von Kita und Schule nach Hause eigentlich nur zehn Minuten dauert. Im Buchladen durfte sich die Sechsjährige ein Buch aussuchen. Es gibt eine sehr schöne Bilderbuchreihe über berühmte Leute, vor allem Frauen. Wir haben schon Bücher über Frida Karlo, Greta Thunberg und Marie Curie. Heute gibt es das Buch über Martin Luther King. Mein Mann erklärt der Tochter, dass dieser Mann sehr viel dafür getan habe, dass alle Menschen gleichbehandelt würden. Da sagt unsere Tochter: „Ja, da hat er wirklich viel erreicht. Viele Menschen werden gleichbehandelt, außer die in der Ukraine.“ Wow. Das fasst das Problem recht gut zusammen.

Die Bilderbücher aus der Reihe „Little People – Big dreams“ erzählen die Geschichte berühmter Personen und helfen, die Welt zu verstehen.

Während der Recherche für einen Artikel für den Tagesspiegel, in dem es um die möglichen psychischen Folgen der Coronapandemie für Kinder und Jugendliche geht, habe ich gerade gelernt: Das kritische Thema darf auch nicht zu präsent sein. „Kinder brauchen coronafreie Zonen“, hat es die Podasterin Mira aus dem Kinder-und-Eltern-Podcast „Mira und das fliegende Haus“ sehr gut zusammengefasst. So versuche ich es auch in Bezug auf den Krieg in der Ukraine hinzubekommen: Einerseits meiner Tochter zu erklären, was gerade passiert und andererseits bewusst Zeitfenster und ganze Tage zu schaffen, an denen wir eben nicht darüber sprechen. Das tut auch mir selbst gut. Im Endeffekt wissen Eltern ab besten, was sie wie ihren Kindern erzählen. Das wichtigste ist, dass sie darüber sprechen, was sie beschäftigt.

Autorin
Lena Högemann
Autorin, Podcasterin und Journalistin in Berlin, online und da, wo Aufträge sie hinführen. Lena freut sich, dass du da bist und mehr über sie und ihre Arbeit erfahren möchtest.