Plötzlich ist das ungeimpfte Kind mit dem Coronavirus infiziert und ich werde 40 Jahre alt, während fast alle Coronaschutzmaßnahmen fallen. Ein persönlicher Bericht über eine verrückte Woche.
Der Test jeden Montag, Mittwoch und Freitag am Morgen ist Standard. Normalerweise nutzen wir den Lollitest, den die Kita zur Verfügung stellt. An diesem Montag denke ich: Ich will sicher gehen, immerhin sind zwei Erzieherinnen in der Kitagruppe meiner Tochter erkrankt. Ich hatte gelesen, dass die Lollitests nicht sehr verlässlich seien. Also halte ich mein Kind fest und nehme den Nasenabstrich in der Nase. Das Geschrei ist groß, die Tränen kullern. Alltag für Familien in Corona-Zeiten. Zumindest in den Familien, die ihre Kinder regelmäßig testen. Ich tropfe die Flüssigkeit auf den Teststab, Standard-Prozedere. Während ich mich noch frage, ob ich den Abstrich lange genug bei dem schreienden Kind nehmen konnte, kommt der erste Strich beim C, dann der zweite beim T. Zwei Striche.
In Vor-Corona-Zeiten hießen zwei Striche: Du bist schwanger. Das waren noch Zeiten, denke ich. Heute heißt es: Du bist infiziert. Genauer gesagt: Mein Kind ist infiziert. Es ist genau das eingetreten, vor dem ich mich seit zwei Jahren gefürchtet habe. Meine kleine Tochter, noch keine zwei Jahre alt und ungeimpft, weil es für sie noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt, hat sich mit dem Coronavirus angesteckt. Als Mutter habe ich gelernt, zu funktionieren, wenn es sein muss. So erkläre ich mir auch, dass ich auf die beiden Striche schaue und zu meiner Familie ganz sachlich sage: „Wir müssen den Plan für heute ändern.“ Kita informieren, Schule anrufen, Arzttermin absagen, Arbeitgeber Bescheid geben.
Ich empfinde keine Panik, ich funktioniere. Wir sind gut vorbereitet. Mein Mann und ich hatten geklärt, dass wir uns aufteilen würden, wenn dieser Fall eintritt. Wir wollten nicht, dass das eine Kind das andere ansteckt und wir dann alle vier krank sind. Also zog ich Kurzerhand mit unserer großen Tochter, deren Tests negativ ausfielen, aus. Mein Mann blieb mit der Kleinen Zuhause, wohlwissend, dass er sich wahrscheinlich infizieren wird. Warum wir uns so aufgeteilt haben? Weil mein Mann mit weniger Schlaf auskommt als ich und weil ich diese Woche Geburtstag habe.
Drei Tag nach dem Testergebnis mit den zwei Strichen werde ich 40 Jahre alt. Das ist das neue beste Geburtstagsgeschenk: Ich bekomme keine Blumen, keinen Schmuck. Ich bekomme die Versorgung des Kindes, das nicht krank ist, während mein Mann die fiebernde Einjährige versorgt. Corona ändert den Blick auf das Leben doch gewaltig. Für die sechsjährige an meiner Seite ist klar: Sie braucht auch ein Törtchen und eine Kerze, dann können wir zusammen meinen Geburtstag feiern. Wird gemacht. Zum Geburtstag gibt es von ihr ein gemaltes Bild mit durchgestrichenem Coronavirus.
Mein kleines Kind hat sich wie so viele in der Kita angesteckt. Es war nur eine Frage der Zeit, jetzt ist es geschehen. Ich habe vorgesorgt: Zäpfchen und Fiebersaft für das Kind, Schmerztabletten, Halsschmerztabletten und Nasenspray für Erwachsene sind genug Zuhause. Jeder hat ein eigenes Fieberthermometer. Eltern corona-infizierter Kinder müssen sich um Vieles kümmern: Viele Kinderärzte wollen die infizierten Kinder nicht testen oder untersuchen. Im Testzentrum gibt es aber die Möglichkeit, auch mit Symptomen einen Schnelltest zu bekommen. So kann der eigene Selbsttest im Testzentrum verifiziert werden und das Kind kann als Genesen gelten, wenn die Infektion überstanden ist. Im Notfall kommt der Rettungswagen auch zu infizierten Kindern. Wir hatten von Bekannten gehört, was so ein Notfall sein kann: Ein Fieberschock des Kindes zum Beispiel. Ich hoffe, dass meinem Mann das erspart bleibt. Immer wieder lese ich, dass Kinder einen milden Verlauf hätten. Was damit gemeint ist: Kinder haben einen milderen Verlauf als Erwachsene. Mild finde ich Fieber von über 39 Grad bei einem kleinen Kind nicht. Das Kind ist krank, dem Kind geht es schlecht. Das ist Corona.
Corona ist nicht vorbei. Das haben mir die zwei Striche deutlich gesagt. Es ist skurril, wenn man bedenkt, dass mit dem 1. April die Maskenpflicht im Supermarkt, in der Schule, sogar die G-Regeln im Restaurant fallen. Nicht für uns. Diese Maske ist für mich kein Problem, sie ist ein Schutz, für den ich dankbar bin. Auch meine Sechsjährige Tochter wird bei diesen Inzidenzen die Maske in der Schule weiterhin tragen.
Die Maßnahmen fallen für die Freiheit anderer Leute. Selbstverantwortung nennt das die FDP. Zuhause ist es auch schön, denke ich und freue mich darauf, wenn wir zumindest dort wieder gesund zusammen sein können. Und meinen Geburtstag nachfeiern werden.